Ehefrau & Herzogin

Verfasser: Dr. Höbald, Jörg;
Jahr: 2006
Verlag: Glauchau, Buchmanufaktur Gesau
Preis: 9,80 EUR
 
Ehefrau & Herzogin

Die Sonderausstellung: „Eine starke Frauengeschichte-500 Jahre Reformation“ auf Schloss Rochlitz hat eine Tür auf gestoßen. Denn jener Paukenschlag vom Sommer 2014 zeigte einer breiten Öffentlichkeit, dass der weibliche Einfluss auf Reformation und Renaissance im mitteldeutschen Raum weit größer war, als dies zählebige Klischees erwarten ließen. Nicht zuletzt verkörperte die streitbare und kinderlose Elisabeth von Rochlitz, gemessen an ihren Zeitgenossinnen, eine ungewöhnliche Persönlichkeit. Doch gerade deshalb kam sie den heute landläufigen Vorstellungen von Emanzipation näher und konnte so von den Besuchern besser verstanden werden.

Dadurch wurde die Herzogin von Rochlitz zur posthumen Botschafterinnen jener Frauen, die fest gefügte Gedankengebäude und dazugehörige Handlungsmuster änderten, ohne dabei allzu stark aus dem Alltag ihrer Zeit auszubrechen. Somit passten sie einfach nicht in Schwarz-Weiß-Vorstellungen von brachialer Unterdrückung des weiblichen Geschlechts.

Von daher stellte sich die Frage nach jenen Strukturen, in denen die rechtlich benachteiligten und vielfach tot geschwiegenen Frauen der Epoche des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit jene Macht generieren konnten, um politische Vorgänge zumindest indirekt zu beeinflussen ? Doch schon an dieser Stelle zeigten sich die riesigen Probleme, sich dem Alltag und Selbstverständnis der Akteure anzunähern. Denn einerseits war die Welt der Renaissance und Reformation noch sehr stark an die Natur gebunden. Das heißt: Viele Notwendigkeiten und Möglichkeiten wurden vom Ablauf der Jahreszeiten bestimmt. Andererseits spiegelte sich dieser Jahreskreis in der Abfolge der christlichen Feiertage, Liturgie und Bräuchen wieder, die nicht zuletzt auch für den gesamten Lebensprozess standen.

In diese enge Verzahnung war wiederum das Eheverständnis eingebunden, dass von der biblischen Überlieferung bestimmt wurde. Schließlich verbarg sich hinter der alttestamentarischen Formulierung: „ein Fleisch sein“, eine Lebensweisheit. Sprich: Der eine Partner konnte im Regelfall ohne den anderen nicht existieren oder gar Nachkommen groß ziehen. Doch genau dieser Aspekt ließ die schriftliche Bestätigung von Einzelleistungen, die Selbstverwirklichung, Leidenschaft und Lust eher in den Hintergrund treten. Unter dem Blickwinkel, dass eine fehlerhafte Handlung zum Tod der ganzen Familie führen konnte, besaßen auch Begriffe, wie Mitleid und Barmherzig andere Inhalte als heute.

Deshalb wirken die Renaissance-Gigantinnen den Maßstäben des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts mitunter sehr nah. Zugleich scheinen sie aber extrem weit vom heutigen Verständnis der Gleichberechtigung entfernt zu sein. Zwischen diesen beiden Polen bewegte sich aber auch die Frage nach weiblichen Einflussmöglichkeiten bzw. weiblicher Macht.

Die Suche nach Antwortmöglichkeiten führte deshalb ins familiäre Umfeld der Elisabeth von Rochlitz. Dabei gab es nicht nur Hinweise auf personell und zugleich ökonomisch basierte Netzwerke, die von den Höfen der Landesherren über Wirtschaftsbetriebe bis in einzelne Haushalte reichten. Vielmehr zeigten sich auch Indizien dafür, dass der Einfluss einzelner Frauen innerhalb dieser Geflechte weit über dem der jeweiligen Ehemänner liegen konnte. Denn offenbar war die Fähigkeit zum prozessualen wirtschaftlichen Denken und Handeln bei jenen Renaissance-Gigantinnen ausgeprägter, als bei zeitgenössischen Männern.

Dadurch erbrachte der Blick auf den Querschnitt des Personenkreises rund um Elisabeth von Rochlitz das Ergebnis, dass selbst der Entstehungsprozess von Georgius Agricolas: „De re metallica“ stark an weibliches Management gebunden war. Dieser Aspekt ließ einerseits die Annahme zu, dass Frauenpersönlichkeiten die Genese des sächsischen Bergbaus stärker beeinflussten, als es die im 18. Jahrhunderts begründete Bergbautraditionspflege in der heutigen Öffentlichkeit widerspiegelt. Andererseits bestätigte sich, dass der tiefgreifende Wandel des 16. Jahrhunderts im mitteldeutschen Raum, weit über die Reformation des christlichen Glaubens hinaus ging.

Denn der Längsschnitt zeigte Hinweise darauf, dass die gemeinsame Anwendung von Lutherbibel und der ersten montan-wissenschaftlichen Systematik jenes Denkgebäude ergab, welches Kursachsen ins „Hölzerne Zeitalter“ der industriellen Entwicklung führte. Dabei fanden sich im Zusammenhang mit den technischen Großprojekten des ausgehenden 16. Jahrhunderts auch Aspekte, welche noch nicht auf die juristische Gleichberechtigung von Mann und Frau hinausliefen, dafür aber eine ergebnisorientierte Gleich-Verantwortung darstellten. Jene deutlichen Anzeichen für die Einbindung der starken Frauen in komplexe Netzwerke führte schließlich zur Frage, wie sich solche komplexe dreidimensionale Strukturen im mitteldeutschen Raum heraus bilden konnten?

Deshalb wurde zuerst versucht, den Einfluss von weiblichen Persönlichkeiten auf den Bergbau im sächsischen Raum vom Vorfeld des zweiten großen Berggeschreis im Erzgebirge bis zur Herausbildung der humanitären Frauenopposition im Dreißigjährigen Krieg zu skizzieren. Dabei ging das Blickfeld über die Silbergewinnung hinaus und orientierte sich an den fließenden Grenzen der Einflusssphären der wettinischen Landesherren.

Doch damit wurde die zweite Frage aufgeworfen: Wie hatte sich die Einflusssphäre weiblicher Akteure entwickelt, damit sie überhaupt in die Umwälzungen eingreifen konnten, die sich mit den Begriffen des zweiten sächsische Berggeschreis, der Reformation und Renaissance verbinden? Denn auf der einen Seite ist das Wirken weiblicher Akteure in der hoch- und spätmittelalterlichen Geschichte extrem schwer fassbar. Auf der anderen Seite gibt es aber hinreichend Indizien dafür, dass der Landesausbau durchaus weiter lief, wenn sich die männlichen Eliten auf einem der vielen Kriegszüge befanden.

Und genau dieses Spannungsfeld bildete den Anreiz, nach den Wurzeln der „Starken Frauen“ zu sondieren. Nicht zuletzt tauchen in der Sekundärliteratur bzw. im Internet immer wieder einmal Frauennamen auf, wenn auch in unterschiedlichen Zusammenhängen. Doch nur die neuen Medien ermöglichten, in relativ kurzer Zeit nach einer grobe Linien zu suchen. So entstand eine Sondierung, bzw. eine Sammlung möglicher Ansatzpunkte, von denen aus weiter geforscht werden könnte. Schließlich birgt die Verwendung von Sekundärquellen ein enormes Potential der Ungenauigkeit. Deshalb kann und will dieses aus jeder Richtung angreifbare Arbeitspapier lediglich an offene Fragen erinnern. Doch warum geschieht dies im Zeitalter der elektronischen Medien in Form einer analogen Schrift? Schließlich tragen heute die meisten Generationen den digitalen Zugang zu den Fakten und Bildern in der Jackentasche. Doch wie leicht ist es, im Gewirr der Querverweise (Links) auf einem Bildschirm den Überblick zu behalten?

Von daher versucht das Ergebnis einer Sondierung durchaus auch ein Arbeitsmittel zu sein, dass parallel zum Internet benutzt werden kann und darüber zu weiterer Fachliteratur führt. Denn die Zugänge zum Thema sind im Einzelfall überaus unterschiedlich. Von daher begreift sich die Broschüre bestenfalls als Einstiegshilfe, um sich selbst Wissen anzueignen und daraus eine eigene Sichtweise auf die Dinge abzuleiten.