Wolkenburg und das Chursbachtal

Verfasser: Höbald, Jörg; Otto, Ralf-Peter
Jahr: 2006
Verlag: Glauchau, Buchmanufaktur Gesau
Preis: 11,80 EUR
 
Wolkenburg und Chursbachtal, Sachsen

Mit der Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002 verbanden sich einschneidende Veränderungen in der Erschließung des Tals der Zwickauer Mulde für Ausflugsgäste und Touristen. Seit den Vormittagsstunden des 13. August 2002 gibt auf der Muldentalbahn keinen Zugbetrieb mehr. Trotzdem versucht die Broschüre noch einmal Radtouren und Spaziergänge zu weitgehend unbekannten Sachzeugen der Technikentwicklung in der Region des Tals der Zwickauer Mulde anzubieten. Infolge der neuen Situation setzen die beiden längeren Touren am Beginn und am Ende der Broschüre doch ein gewisses Maß an Kondition voraus. Hinzu kommen drei Routen, die am Bahnhof Wolkenburg beginnen und enden. Somit besteht hier auch prinzipiell die Möglichkeit, mit dem PKW anzureisen. In der Konsequenz wird damit das Anliegen der 1999 begonnenen Broschürenreihe gebrochen, interessante Ausflüge ohne Auto aufzuzeigen. Der Verzicht auf diese neue Broschüre hätte aber bedeutet, sich in die Reihe derjenigen einzuordnen, denen das Schicksal der einfachen Menschen offensichtlich gleichgültig ist, die sich nach wie vor für die Gäste im Tal der Zwickauer Mulde engagieren.

Über die am 30. Juni 1877 vollendete „Muldenthal-Eisenbahn“: Glauchau – Penig – Rochlitz – Großbothen – Wurzen und ihre Anschlussstrecken ist im letzten Vierteljahrhundert viel geschrieben worden. Hinzu kommen unzählige Fotos und wahrscheinlich viele tausend Meter von Schmalfilmen und Videobändern. Trotz dieser Fülle an Literatur sollten zu Beginn einige wenige Anmerkungen erlaubt sein, welche, wie die gesamte Broschüre, keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben und nicht mehr als eine Anregung sein wollen. Schließlich soll jeder auf seine Weise und mit eigenen Augen eine Region erkunden, die am Ende aber immer wieder auf das weitere Einzugsgebiet des am 10. Mai 1875 eröffneten Abschnittes: Glauchau – Penig der Muldentalbahn hinausläuft.

Mit Blick auf eine aktuelle Situation, in der den arbeitenden Menschen immer weniger Freizeit zur Verfügung steht und den Erwerbslosen die Mittel für das Reisen fehlen, ist es vielleicht angebracht noch einmal die einheimischen Unternehmer an der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts in Erinnerung zu rufen. Sie hatten den Mut zur ehrgeizigen Vision einer Eisenbahnverbindung nach Norden, die von Glauchau über Rochlitz nach Wurzen und von dort weiter nach Eilenburg reichen sollte, wo Anschluss zur preußischen Metropole Berlin bestanden hätte. Einer der treibenden Kräfte in der privaten Bahngesellschaft war Detlef Graf von Einsiedel, dessen Familie sich ihren Stammsitz auf Schloss Wolkenburg geschaffen hatte. Nicht zuletzt ist der Name der Grafen von Einsiedel seit dem 18. Jahrhundert auch mit der Entwicklung der Schwerindustrie in Lauchhammer verbunden. Von daher hatte der erste Spatenstich für die Muldentalbahn am 28. Mai 1873 unterhalb des heutigen Bahnhofs Wolkenburg durchaus die Symbolik eines Aufbruchs in das Industriezeitalter.

Trotzdem reichte das Kapital der Muldenthal-Eisenbahngesellschaft nicht aus, um ihre hochgesteckten Ziele vollständig umzusetzen. So endete die Strecke über Jahrzehnte in Wurzen. Erst zwischen 1926 und 1927 wurde im Zusammenhang mit dem Bau des größten sächsischen Fließwasserkraftwerkes Wurzen-Caniß die fehlende Verbindung nach Eilenburg doch noch geschaffen. Damals war es jedoch für die Entwicklung einer überregionalen Fernverkehrsverbindung längst zu spät. Dennoch entwickelte sich die Muldentalbahn zu einer Lebensader der Wirtschaft in Westsachsen. Sie war die Voraussetzung für das Aufblühen der Baustoffindustrie, der Papierproduktion und nicht zuletzt der Landwirtschaft sowie der Lebensmittelindustrie, die ihre ungebrochene Vitalität gerade in Wurzen durch regelrechte Monumente der Industriearchitektur zeigt. Gleichwohl stellte der Transportweg auch die Verbindung der einzelnen Wirtschaftstandorte im Muldental zu den Steinkohlen- und später zu den Braunkohlenrevieren dar. Gleichzeitig brachte die Muldentalbahn die Arbeitskräfte aus dem ländlichen Raum zu den Produktionsstätten. Umgekehrt legte die Bahnverbindung: Glauchau – Rochlitz – Großbothen – Wurzen auch den Grundstein für die Entstehung des Ausflugsverkehrs, der das Ortsbild von Waldenburg, Wolkenburg, Rochsburg, Rochlitz, Höfgen oder Nerchau nachhaltig veränderte. Romantisch und mondän zugleich, wurde das Tal der Zwickauer Mulde mehr und mehr zur beliebten Sommerfrische für die Bewohner des Ballungsraums Leipzig. Von der Entstehung der Ausflugsregion zeugen beispielsweise das frühere Parkrestaurant in Wolkenburg, die heutige Außenstelle der Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna, aber auch das Restaurant Muldenschlösschen in Rochsburg.

Während die Schulwandertage oder die Betriebsausflüge mit der Muldentalbahn nach Waldenburg oder Rochsburg durchaus noch zu den Erinnerungen der Einwohner von Glauchau und Meerane gehören, sind die Einsätze der luxeriösen „Gläsernen Züge“ mit Dieselmotorantrieb für Ausflügler aus Chemnitz und Leipzig in den 1930’er Jahren beinnahe in Vergessenheit geraten. Schließlich führte die Entfesselung des Zweiten Weltkrieges nicht nur dazu, dass dieses besondere Kapitel der Reisekultur eine Episode blieb. In den letzten Stunden des Krieges in Mitteldeutschland wurde am 15. April 1945 auch die Rabensteinbrücke bei Grimma gesprengt. Seither ist die Trasse der Muldentalbahn unterbrochen. In der Folge wurden die Gleise zunächst zwischen Großbothen und dem unteren Bahnhof von Grimma abgebaut. Der Abriss der Schienen zwischen dem unteren Bahnhof von Grimma und der Papierfabrik Golzern erfolgte 1968. Demgegenüber blieb die Muldentalbahn zwischen Glauchau und Großbothen eine wichtige Verkehrsverbindung. Es dauerte aber bis 1975, bevor dieser Streckenabschnitt grundlegend saniert werden konnte. Danach wurden die Gleisanlagen und Brücken abschnittsweise überholt, wobei die einzelnen Baumaßnahmen 1983 weitestgehend abgeschlossen werden konnten. Gleichzeitig mit der Überholung der Trasse kamen zunehmend vierachsige Reisezugwagen auf der Muldentalbahn zum Einsatz, die auch wieder einen gewissen Komfort für die Fahrgäste mit sich brachten.

Im Verlaufe des Jahres 1976 wurde auch der planmäßige Einsatz von Dampflokomotiven auf der Muldentalbahn beendet. Jedoch führte der Mangel an flüssigen Treib- und Schmierstoffen in der DDR dazu, dass in den frühen Morgenstunden des 19. März 1982 die Dampftraktion zurückkehrte. Die Nachricht davon verbreitete sich, wie ein Lauffeuer durch beide Teile Deutschlands und schließlich ganz Europa. Insbesondere die schweren dampfbespannten Sandzüge auf ihrem Weg von Sermuth über Rochlitz und Glauchau nach Zwickau begründeten damals den legendären Ruf der Muldentalbahn als Attraktion für Eisenbahnfans aus aller Welt. So wurde die Strecke bis zum 29. September 1988 von unzähligen Gästen besucht, obwohl die so genannte touristische Infrastruktur seinerzeit von den vielen großen und kleinen Versorgungsengpässen der Planwirtschaft gezeichnet war.

Durch den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft in den Jahren 1989 und 1990 verloren die beiden verbliebenen Teile der Muldentalbahn: Glauchau – Rochlitz – Großbothen und Golzern – Wurzen in rasantem Tempo ihre Güterverkehrskunden. So kam zunächst der Zugverkehr auf dem seit 1969 nur noch für den Gütertransport genutzten Streckenabschnitt zwischen Golzern und Wurzen sehr schnell zum Erliegen. Demgegenüber führte die Deutsche Reichsbahn auf dem Streckenteil: Glauchau – Rochlitz – Großbothen zunächst einen zeitgemäßen Personenzugfahrplan im Zweistundentakt ein. Nach Bildung der Deutschen Bahn AG. im Januar 1994 folgte dann die Umstellung des Personenzugbetriebes auf zweiteilige Triebwageneinheiten mit großem Fahrradabteil. Gleichwohl muß gesagt werden, dass durch die Produktionseinstellung in fast allen alten Industriebetrieben entlang der Strecke auch der Berufsverkehr auf ein Mindestmaß schrumpfte. Das bedeutete aber nicht, dass auf der Muldentalbahn keine ausgelasteten Züge mehr zu beobachten waren. Sonderzüge, möglichst mit traditionellen Dampflokomotiven bespannt, fanden ihr Publikum genauso, wie einzelne planmäßige Fahrten an den Wochenenden und Feiertagen in der Sommersaison. In der Konsequenz entstand ein Konflikt, der nach wie vor die Erschließung des Tals der Zwickauer Mulde für den Ausflugsverkehr und Tourismus beeinflusst.

Zunächst bot die Deutsche Bahn AG den Zweckverbänden Nahverkehr Mittelsachsen und Leipzig einen Ausbau der Strecke: Glauchau – Rochlitz – Großbothen für eine Höchstgeschwindigkeit von 80 Km / h und die Verdichtung des Fahrplans zum Stundentakt an. Mit einer Umsetzung dieses Projektes hätten sich für die aus den Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen gebildeten Zweckverbände jedoch enorme Aufwendungen ergeben. Schließlich müssen sie nicht nur die Bestellung sondern auch die Kosten für den Öffentlichen Personennahverkehr tragen. Deshalb signalisierte besonders der Zweckverband Nahverkehr Mittelsachsen sein Desinteresse am Ausbau und an einer Verdichtung des Fahrplans auf der Muldentalbahn. Das quittierte die Deutsche Bahn AG ihrerseits mit Zurückstellung von notwendigen Reparaturen und nachfolgender Sperrung der Streckenabschnitte: Rochlitz – Colditz, Colditz – Großbothen und Wechselburg – Rochlitz.

In der Folge gab es im Sommer 2002 pro Tag nur noch fünf Zugverbindungen von Glauchau nach Wechselburg und zurück. Die anderen Leistungen wickelte damals schon der Regionale Omnibusbetrieb Mittweida GmbH (REGIOBUS) im Schienenersatzverkehr jedoch noch im Auftrag der Deutschen Bahn AG ab. Die “REGIOBUS” ist zu 100 Prozent im Besitz des Landkreises Mittweida, der auch im Zweckverband Nahverkehr Mittelsachsen vertreten ist. In der Folge verzichtete die Deutsche Bahn AG auf die Wiederaufnahme des Zugverkehrs, nachdem dieser am 13. August 2002 wegen der Hochwassersituation aus Sicherheitsgründen eingestellt worden war. Unmittelbar danach begann die “REGIOBUS” für den Zweckverband Nahverkehr Mittelsachsen ihre Ersatzlösung für die Muldentalbahn vorzubereiten, dabei sollte Wolkenburg schlichtweg umfahren werden.

Erst nach öffentlichen Protesten entstand schrittweise die heutige Buslinie 629: Glauchau – Wolkenburg – Penig – Rochlitz – Geithain, die zwischen Glauchau und Penig auch von den Regionalverkehrsbetrieben Westsachsen GmbH befahren wird. Die Buslinie 629 verkehrt an Wochentagen und Wochenenden auf unterschiedlichen Routen, die im Abschnitt: Glauchau – Lunzenau auf der Kartenskizze gelb gekennzeichnet sind. Die Fahrzeiten und die Konditionen zur Fahrradbeförderung können den Aushängen an den Haltestellen und aus dem Fahrplanheft des Zweckverbands Nahverkehr Mittelsachsen entnommen werden. Für Radtouristen besteht aber auch die Möglichkeit zur Anreise und zur Rückfahrt, den Muldentalradwanderweg zu nutzen, welcher in der Kartenskizze grün gekennzeichnet ist.